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Hans Belting

Menschenbild und Körperbild

Gerda Henkel Vorlesung
in der Vortragsreihe »Das Menschenbild in der Wissenschaft«

Herausgegeben von der gemeinsamen Kommission der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der
Gerda Henkel Stiftung

2000, 40 Seiten, 33 Abbildungen, broschiert
2000, 40 pages, 33 figures, paperback

ISBN 978-3-930454-23-5
Preis/price EUR 12,50

16,5 × 24cm (B×H), 180g


Zum Inhalt:

Der Körper ist derzeit das Leitthema vieler Debatten, als wollte man sich in der Furcht, seinen Begriff zu verlieren, noch einmal versichern. Gentechnologie und kosmetische Chirugie unterwerfen ihn einer neuen Verfügbarkeit, während Cyberspace und Internet zur Flucht aus dem Körper einladen. Der Beitrag verläßt diese Zeitgenössische Szene, um die nie endende Dynamik der Körperthematik durch die Geschichte zu verfolgen. Der Körper ist nur das stets wechselnde Bild, das man sich von ihm macht oder das man an ihm festmacht. Die Kulturgeschichte des Körpers ist eine Bildgeschichte im wörtlichen und übertragenen Sinne. Da der Körper immer gegeben war, hat man ihn immer anders gesehen. Darin erschließt sich ein Grundgesetz jeder Anthropologie. Der Körper ist dabei nicht bloß selbstbezogen als Natur und Organismus, sondern Träger und Agent des Menschen, der sich im Körper ausdrückt und am Körper definiert wird. In diesem Sinne ist das Körperbild mit dem Menschenbild untrennbar verbunden.


Zum Autor:

Geboren am 7. Juli 1935 in Andernach. Promotion an der Universität Mainz. 1962–64 Stipendiat an der Harvard University, 1965 Habilitation an der Universität Hamburg. 1969–80 Professor für Kunstgeschichte an der Universität Heidelberg, Gastprofessuren an den Universitäten Basel und Wien. 1980–93 Professor für Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München, in dieser Zeit Visiting Professor in Harvard und an der Columbia University in New York (Meyer Schapiro Professor). Seit 1993 Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. 1994/95 Fellow am Wissenschaftskolleg in Berlin. Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, der Academia Europaea, der Medieval Academy of America und der American Academy of Arts and Sciences. Mitglied im Orden Pour le mérite.

Wichtigste Publikationen: Die Oberkirche von San Francesco in Assisi (1977); Das Bild und sein Publikum im Mittelalter (1981); Das Ende der Kunstgeschichte? (1983); Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst (1990); Das Ende der Kunstgeschichte. Eine Revision nach Zehn Jahren (1995); (mit C. Kruse), Die Erfindung des Gemäldes (1995); Das unsichtbare Meisterwerk. Die modernen Mythen der Kunst (1998); Identität im Zweifel. Ansichten der deutschen Kunst (1999); Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft.


Besprechungen:

Neue Zürcher Zeitung – Feuilleton – Samstag, 27.07.2002, Nr.172, 52

Körperbilder

lx. Es sei verräterisch, dass die Klage über den Verlust des Menschen heute simultan mit der Klage über den Verlust des Körpers geäussert werde. Der Kunsthistoriker Hans Belting will es nicht bei diesen mit »seltsamer Einmütigkeit« geäusserten Befindlichkeiten bewenden lassen. In einem ausführlichen Essay untersucht er die Relationen zwischen »Menschenbild und Körperbild«. Zunächst: Kann man einen Körper überhaupt auf ein Bild reduzieren? Wir tun dies aber mit Selbstverständlichkeit dort, wo wir zu Bildern greifen, sobald wir vom Körper zu sprechen beginnen. Dabei sei auf ein weiteres Paradox hinzuweisen: Je mehr heute der Körper von Biologie, Genetik und Neurowissenschaften erforscht wird, desto weniger steht er uns in einem einzigen, symbolkräftigen Bild zur Verfügung. Wer heute – angesichts der sogenannt »technischen Möglichkeiten« – davon spreche, einen »neuen Menschen« zu züchten, spreche eigentlich davon, dem (alten) Menschen einen neuen Körper zu geben. Nur eben: Wenig ist darüber nachgedacht worden, dass die bisherige Geschichte der Menschendarstellung eine Geschichte der Körperdarstellung gewesen ist. Daraus lasse sich schliessen, dass der Mensch so ist, wie er im Körper erscheint. Jedenfalls sei das Dreieck Mensch – Körper – Bild nicht auflösbar, wolle man nicht riskieren, alle drei Bezugsgrössen zu verlieren. – Der Essay findet sich in einer von der Gerda Henkel Stiftung herausgegebenen Publikation über das »Bild des Menschen in den Wissenschaften«.